100 Jahre Jäger im BSV

1924 - 2024

„Jrön, jrön, jrön steiht dä Schötzejonge schön!“

Das Wevelinghover Jägercorps und seine (kleine) Geschichte

von Nikolai Dohlen und Peter Schäfer

Die Geschichte unseres Wevelinghovener Jägercorps beginnt bereits im Gründungsjahr des Bürger-Schützen-Verein 1924 Wevelinghoven e.V. Ein Jägerzug der buchstäblich „ersten Stunde“ war die „Wohlfahrt“ mit Zugführer Adolf Krall, dem späteren Major der Jäger. Auch der im 100. Jubiläumsjahr durch 6 junge Schützen belebte Jägerzug „Germania“ zählte mit zu diesen Gründungszügen des Jägercorps. Damals noch unter dem Namen Jägerzug „Frisch Auf“ bekannt, war diese Gruppe aus dem heutigen Turnverein Germania von 1896 hervorgegangen. Dessen Mitglieder waren wie 140 weitere Wevelinghovener Bürger dem Aufruf des Festkomitees zum ersten Schützenfest gefolgt und begründeten somit die Schützen- und Jägertradition in Wevelinghoven. 

Wenn man über die Gründung des BSV schreibt, kommt man nicht umhin, die zahlreichen Bezüge dieses Ereignisses zu den bereits existierenden Bürgerschützenvereinen im lokalen Umfeld zu erwähnen. Insbesondere der erste Vereinspräsident Heinrich Esser unterhielt sehr gute Beziehungen zum Neusser Schützenwesen. Ein seiner Initiative zugesprochenes Liederheft mit Umtextungen bekannter Schützen- und Heimatlieder ist erst unlängst wieder aufgetaucht und befindet sich im Archiv des BSV. In diesem Zusammenhang muss auch die Gründung des Jägercorps gesehen werden, welches sich zunächst stark am Neusser Vorbild anlehnt. Dessen Jägeruniformen sind den alten grünen Röcken kaiserlicher bzw. Preußischer Jägerbataillone nachempfunden. Die grüne Farbe hatte nur indirekt und ursprünglich etwas mit Tarnung zu tun.

Bereits vor den Napoleonischen Kriegen waren Jäger- und Förstersöhne regelmäßig zum Militärdienst eingezogen worden. Sie brachten neben ihrer grünen Dienstkleidung auch ihre seltenen und für die Heere der damaligen Zeit in großen Stückzahlen nicht erschwinglichen Büchsen mit in den Dienst. Diese zeichneten sich gegenüber den sonst bei der Infanterie üblichen Musketen und Flinten durch ihre hohe Treffsicherheit auch auf größere Distanzen aus. Mit ihren wertvollen Waffen waren die „Jäger“ in den Linienkämpfen verschwendetes Potenzial. Sie übernahmen vielmehr die Scharfschützenpositionen vor den ersten Reihen der aufeinander zu marschierenden Heere und zielten befehlsgemäß auf die gegnerischen Offiziere, um die Moral der Truppen zu schwächen. Diese Sonderrolle führte dazu, dass sich diese Jäger in den Befreiungskriegen und danach zunächst zu eigenen Truppenverbänden und danach zu Elitetruppen entwickelten, die bis heute in der kämpfenden Truppe der Bundeswehr als „Jägertruppe“ existent geblieben sind – vornehmlich als Sicherungszüge mit bis zu 50 Mannstärken, die technische Einsatzgruppen wie Fernmelder oder Pioniere im Einsatz schützen sollen. Nach Ende der Wehrpflicht 2012 wurden wieder eigenständige Jägerbataillone aufgebaut.

In der Tradition der Schützenvereine seit dem späten 18. Jahrhundert spielten also die Jägerverbände als Vorbild für die Uniformierung und Benennung der unterschiedlichen Schützengruppen eine wichtige Rolle. Zuletzt wurde das Neusser Jägercorps von 1823 das Vorbild für die später gegründeten Vereine und Jägerzüge des Umlandes. In zahlreichen Vereinen setzte sich der hochgeschlossene Waffenrock im frischen Jägergrün durch - nicht so bei den frühen Jägerzügen des Wevelinghovener Schützenregiments: Hier dominiert der zweireihige Sakkoschnitt mit höher angelegtem Revert.  

Von einem echten „Jägercorps“, wie wir es heute kennen bzw. wie es bereits seit 1823 beim großen Vorbild für das Wevelinghovener Schützenwesen – dem Neusser Schützenfest – gab, kann erst ab 1933 geredet werden. Ab diesem Jahr spricht man vom „Jägercorps 1924 Wevelinghoven“ unter dem ersten Jägermajor Adam („Opa“) Krall. Die ursprüngliche Corpsfahne, die heute denkmalgeschützt ist und im Archiv des BSV ruht, wurde 1933 erstmals erwähnt und mitgeführt. Sie wurde 1999 außer Dienst gestellt, weil die Möglichkeiten für eine zweckdienliche Restaurierung fehlten. Im 75. Jubiläumsjahr des Bürger-Schützen-Verein 1924 Wevelinghoven e.V. und Jägercorps, ersetzte man die alte Fahne gegen eine neue nach altem Vorbild. Diese wurde in der sonntäglichen Schützenmesse vom damaligen Weihbischof Friedhelm Hofmann nach dem Festgottesdienst zusammen mit anderen neuen Zugfahnen des Corps geweiht. Heute wird die Fahne vom Jägerzug „Waldeslust” getragen, dem auch der heutige Ehrenmajor Reiner Schumacher angehört. 

Hinter seiner gemeinsamen Fahne trat das Wevelinghovener Jägercorps stets akkurat und adrett auf. Erst im Laufe der späten 1930er Jahre, als die Nationalsozialisten sogenannte „Phantasieuniformen“ während öffentlicher Umzüge untersagten und um generelle und uniformierte Einheitlichkeit bemüht waren, wurden notgedrungen schlichtere und weniger historische Varianten getragen. Epauletten an Jacken waren ebenso untersagt wie Frack und Zylinder für die Grenadiere. Es muss schon ein sehr trostlos-militantes Bild gewesen sein. Die heute übliche Uniformierung des Jägercorps Wevelinghoven kristallisierte sich dann nach dem Zweiten Weltkrieg heraus. Der grüne Uniformrock in heutiger Form und Farbe (ein- und zweireihiger Sakkoschnitt) mit weißen Hosen setzte sich bei den Jägern durch, wozu auch die damalige ortsansässige Kleiderfabrik „Gilles“ unterstützend beigetragen hat. Der heute in Neuss und anderswo wieder übliche geschlossene Waffenrock der Jäger konnte sich hingegen in Wevelinghoven nicht etablieren. Lediglich der Corpsspieß trägt ihn zu seinem Tschako und dem Ringkragen. Trotz aller Veränderungen blieb im Zeitverlauf das Tragen der weißen Festtagshosen bis in die heutige Zeit unverändert, auch wenn in den Anfangsjahren teilweise grüne Hosen getragen wurden. Nur die Corpsführung hält heute noch an dieser Tradition fest. Der Hut des Jägers ist mit einer Spielhahnfeder geschmückt, wohingegen die Hüte der Corpsführung Straußenfedern zieren.

 

Doch neben Fahnen und Uniformen zeichnet das Jägercorps an den Schützenfesttagen vor allem eine Besonderheit aus: Die farbenfrohen Blumenhörner! In den älteren Schützenvereinen der Umgebung wie zum Beispiel in Neuss kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Brauch auf, ein mit Deckel verschließbares Horn - ursprünglich wohl eine Erinnerung an den Ausrüstungsgegenstand des Pulverhorns - mit trinkbarem Inhalt auf dem Marsch mitzuführen. Etwas später wurden diese Deckel verziert und mit Blumen geschmückt – der Rest ist Geschichte: Heute enthalten die Hörner kein Bier mehr, sondern zumeist Bauschaum und Steckschwämme. Das Tragen des Blumenhorns obliegt dem „Hönes“, der eine der anstrengendsten Aufgaben während der Festzüge übernimmt. Doch diese schweißtreibende Mühe wird belohnt durch bewundernde Blicke und den anerkennenden Applaus der Zuschauer während der Umzüge. Ein Muss für jeden Besucher ist hier das Erlebnis beim Aufmarsch des Jägercorps am Rathaus am Schützenfestsonntag mit allen 30 Blumenhörnern paarweise an der Spitze der zuletzt 470 Jäger.

Ein derart großes Corps vereint sehr unterschiedliche Menschen und Interessen. Es ist nicht einfach, hier eine gesunde Mitgliederpflege und zuspruchsstarke Veranstaltungen in das Schützenjahr zu integrieren. Neben den offiziellen Versammlungen von Jägervorstand, Chargierten und dem Corps pflegt man bei den „Grün-Weißen“ auch traditionelle Veranstaltungen wie das Jägercorpsschießen und das Jägerbiwak am Schützenfestdienstag. Öffentliches Highlight ist stets der „Tanz in den Mai, der dieses Jahr zum Jubiläum “100 Jahre Jäger im BSV Wevelinghoven” besonders gestaltet und mit namhaften Künstlern wie der Band „Tante Käthe“ und „DJ Yeti“ alias Jens Armenat stattfinden wird.

Stets besorgt um seine Mitglieder und die Interessen des größten der drei Wevelinghovener Corps waren Corpsführung sowie Jägervorstand. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm zunächst 1949 wieder Adolf (Opa) Krall vom Jägerzug “Wohlfahrt” - der in diesem Jahr auch als Interimsvorsitzender des BSV Wevelinghoven fungierte - wieder die Führung des Corps als Jägermajor und späterer Jägeroberst. Ihm folgte 1955 der über die Grenzen Wevelinghovens bekannte Adam Schilden (genannt “Blücher”), vom Jägerzug “Alte Kameraden” (genannt “Blücheraner”). Zuvor war dieser bereits an der Seite von Jägeroberst Krall dessen Stellvertreter als Major gewesen. Als “Blücher” nach dem plötzlichen Tode von Dr. Friedrich-Karl Kottmann zum Oberst des stolzen Wevelinghovener Regimentes gewählt wurde, trat Josef Noethen vom Jägerzug “Immer Durst” an die Spitze des Corps in Personalunion als Vorsitzender und Major bis 1991. 

Ihm folgte sein bisheriger Stellvertreter im Vorsitz nach: Franz-Josef Klasen, Zugführer des Gründungsjägerzugs “Germania”. Dieser prägte von 1973 bis 2006 als stellvertretender (1973 - 1991) und als erster Vorsitzender (1991 - 2006) das Jägercorps entscheidend. An seiner Seite in der Corpsführung stand Major und stellvertretender Vorsitzender Peter Mattheisen (1991 bis 2001) vom Jägerzug “Jong Boschte”. Später übernahm Reiner Schumacher (2001 bis 2021) vom Jägerzug “Waldeslust”. Nach 2015 vereinte dieser auch den Vorsitz des Jägercorps 1924 Wevelinghoven in seiner Person. Zuvor war von 2006 bis 2015 Hartmut Batz vom Jägerzug “Grön Gemöß” als Vorsitzender tätig, der dann in den Jahren 2016 bis 2022 auch als Regimentsspieß fungierte.  

Vorsitzender und Jägermajor in Personalunion ist seit 2021 der langjährige Schriftführer des Gesamtvorstandes Nikolai Dohlen vom Jägerzug “Die Jägermeister”. Seit Gründung des Corps ist er der erste Corpschef, der mit seinem Adjutanten nicht zu Pferden reitet. Dies tut dem Zuspruch seiner Jäger aber keinen Abbruch – es beweist vielmehr, dass das einzige Stete der Wandel ist und dieser auch vor dem Jägercorps Wevelinghoven nicht Halt macht! Ihm zur Seite steht ein sich stetig verjüngender Jägercorpsvorstand, der es schafft, Tradition und Heimatpflege, aber auch aktuelle Veränderung in das Corpsleben zu integrieren. Nikolai Dohlen ist im Jubiläumsjahr der Jäger auch die Majestät des jubilierenden Bürgerschützenvereins und wird in diesem Jahr vom erfahrenen Schützenfreund Herbert Schumacher in der Rolle des Majors vertreten. Wir lassen uns überraschen, ob dieser zum Jubiläumsjahr wieder zu Pferde reiten wird – wie er es zuletzt lange Jahre als Jägeradjutant seines Bruders Reiner und in seinem letzten Jahr als Regimentsspieß 2013 tat. Aber dies ist eine andere Geschichte, die Sie auch in diesem Heft finden werden.   

 

Ein Artikel des Festmagazins des Bürger-Schützen-Vereins 1924 Wevelinghoven e.V. anlässlich des 100. Jubiläums.

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